Emissionshandel für Gebäude und Verkehr in der Sackgasse

Von | November 4, 2025

(04.11.2025)

19 EU-Mitgliedstaaten fordern, die Einführung des Emissionshandels für Gebäude und Verkehr (ETS 2) um drei Jahre zu verschieben: Befürchtet wird ein deutlicher Anstieg des CO2-Preises, ein einheitlicher CO2-Preis trifft auf sehr unterschiedliche Durchschnittseinkommen, ein Klimageld ist nicht vorgesehen. Die Alternative wäre eine nationale CO2-Steuer mit Klimageld und Anpassung an klare Reduktionsziele.

Klimapolitik ist zum gesellschaftlichen Spalter-Thema geworden

Die Klimapolitik ist in eine Sackgasse geraten. In Umfragen ist die Mehrheit für mehr Klimaschutz. Bei Fragen zu konkreten Maßnahmen gehen die Meinungen dagegen weit auseinander. Einer Studie der TU Dresden nach ist das Thema Klimaschutzmaßnahmen mit das größte  Spaltungsthema. Wenn es nicht gelingt, diesen Konflikt zu entschärfen, könnte der ETS 2 das Schicksal des umstrittenen Heizungsgesetzes erleiden.
Das gilt nicht nur für Deutschland. Die Forderung nach einer Verschiebung des ETS 2 zeigt, wie groß die Angst vor den Folgen eines deutlichen Anstiegs der Energiekosten ist.

Einheitliche CO2-Preise treffen auf sehr unterschiedliche Durchschnittseinkommen

Ein wie geplant EU-weit einheitlicher CO2-Preis steht sehr unterschiedlichen Einkommensniveaus gegenüber. Die Lenkungswirkung ist deshalb in ärmeren Mitgliedstaaten stärker als in reichen – obwohl letztere deutlich mehr Emissionen verursachen. Aus sozialen Gründen könnten nun die Klimaziele an die schwächsten Mitgliedstaaten angepasst werden.
Ein einheitlicher CO2-Preis für Länder und Sektoren birgt eine weitere Gefahr: Wenn es günstiger ist, zusätzliche Zertifikate zu kaufen, statt in Klimaschutz zu investieren, werden Investitionen hinausgeschoben, was die Klimawende verzögert.

Unklare Preisentwicklung beim ETS 2 widerspricht Wunsch nach Planbarkeit

Verbraucher brauchen klare Angaben über die Entwicklung der CO2-Preise. Heizungs- und Verkehrsemissionen liegen weit unter dem Zielpfad für 2030. Die Preisbildung am Markt würde zu hohen CO2-Preisen führen. Aus sozialen Gründen sollen nun EU-weite Höchstpreise eingeführt werden. Dafür sollen mehr Zertifikaten in den ersten drei Jahren versteigert werden. Das hat zur Folge, dass spätere Reduzierungen umso deutlicher ausfallen müssen, um die Klimaziele einzuhalten.

Nationale Mindest- und Höchstpreise statt einheitlicher Deckel

Wenn Höchstpreise an die schwächeren Mitgliedstaaten angepasst werden, würde der CO2-Preis in Deutschland absinken. Deutschland ist aber für fast ein Viertel der Emissionen bei Heizung und Verkehr verantwortlich. Um das zu vermeiden, brauchen die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, nationale Mindestpreise einzuziehen.
Klar ist damit: Ein Preiskorridor aus Mindest- und Höchstwerten ist sowohl sozial als auch klimapolitisch notwendig. Dieser Korridor sollte möglichst schmal sein, damit die Preisentwicklung berechenbar bleibt. Und er muss auf nationaler Ebene angepasst werden, weil Einkommen, Gebäudebestand und Verkehrslasten in der EU sehr verschieden sind.

Ohne Klimageld kein hoher CO₂-Preis

Die Einnahmen aus dem Emissionshandel sollen für Klimaschutzinvestitionen verwendet werden, wobei sozial schwache Gruppen besonders berücksichtigt werden. Solche Investitionen sind jedoch nur mittelfristig umsetzbar. Der CO2-Preisanstieg wird dagegen sofort wirksam und wird die breite Bevölkerung treffen. Direktzahlungen an Verbraucher sind im ETS 2 nur übergangsweise und in begrenzter Höhe vorgesehen. Ein wirksames Klimageld wäre nur möglich, wenn die Mitgliedstaaten es aus ihren nationalen Haushalten zahlen. Damit ginge zum einen der direkte Bezug zwischen CO2-Preis und Klimageld verloren.
Zudem wäre es aufgrund von Haushaltsdefiziten in den meisten Staaten kaum umsetzbar. Ohne Klimageld wird der CO2-Preis aber nur eingeschränkt ansteigen können.

Niedriger Preis = hoher Förderbedarf

Fördergelder und CO2-Preise sind umgekehrt proportional miteinander verbunden. Je niedriger der CO2-Preis ist, desto höher ist der Förderbedarf zum Ausgleich fehlender wirtschaftlicher Motivation. Niedrige CO2-Steuern bedeuten außerdem weniger Geld im Topf. Was noch verstärkt wird durch höhere Kosten für die bisher zu wenig nachgefragte klimafreundliche Technologie.
Auch wenn klar ist, dass ein Mix aus CO2-Preis und Förderung notwendig ist, muss geklärt werden, was im Mittelpunkt stehen soll. Das Ergebnis einer Studie der ETH Zürich zu den Kosten der beiden Extremvarianten Förderung oder Lenkung ist eindeutig: Die Lenkung über den CO2-Preis ist gesamtwirtschaftlich erheblich effizienter und um bis zu fünfmal kostengünstiger als der Weg über die punktuelle Förderung.

Ausweg: Nationale CO2-Steuer mit Klimageld und klaren Reduktionszielen

Die beschriebenen Probleme lassen sich innerhalb des ETS-2-Designs nur schwer beheben. Der kritische Punkt ist der EU-weit einheitliche CO2-Preis.
Notwendig ist ein nationaler Preiskorridor, und die Möglichkeit, aus sozialen wie klimapolitischen Gründen eigene Mindest- und Höchstpreise festzulegen. Wenn ein schmaler Korridor sinnvoller ist als ein breiter, wäre ein einziger CO2-Preis die einfachste Lösung.
In der Schweiz existiert seit 2008 eine CO2-Steuer mit Rückzahlung von 70 Prozent der Einnahmen an Verbraucher und Wirtschaft. Die restlichen 30 Prozent werden gezielt für Klimainvestitionen verwendet. Inzwischen liegt der Preis bei 120 Euro/Tonne CO2, das Konzept wurde mehrfach per Volksabstimmung bestätigt. Ein ähnliches Modell hatte auch das Umweltbundesamt Ende 2022 vorgeschlagen.
Von Seiten der EU müssten bei diesem Modell nur die verbindlichen Minderungsziele vorgegeben werden. Auf nationaler Ebene könnte dann eine CO2-Steuer mit entsprechendem Steigerungspfad installiert werden, der je nach Erreichung der Klimaziele nachjustiert wird. Das ist schon jetzt gängige Praxis in der Schweiz.

Europa braucht ein Modell, das als Beispiel dienen könnte: verständlich, sozial und effizient

Man kann einwenden, dass es politisch schwierig wäre, das Paket noch einmal aufzuschnüren. Dagegen sprechen zwei Dinge: Erstens fordert inzwischen eine Mehrheit von Mitgliedstaaten, den Start des ETS 2 zu verschieben. Zweitens wären die Folgen des Scheiterns eines zentralen europäischen Klimainstruments kaum zu überschätzen.
Schon jetzt muss das Klimaziel von Paris als verfehlt angesehen werden. Das 1,5-Grad-Ziel ist bereits überschritten, selbst das 2-Grad-Ziel wird ohne effiziente Instrumente schwer erreichbar sein. Tatsächlich fehlt ein Modell, welches tauglich wäre, die Klimaziele wirtschafts- und sozialverträglich umzusetzen. Europa war angetreten, ein solches Modell zu entwickeln.
Der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission läuft jedoch darauf hinaus, dass der CO2-Preis geschwächt wird. An Gewicht gewinnt dagegen der bürokratisch wie finanziell aufwendigere Weg von Subventionen und Ordnungsrecht. Damit werden nicht nur die Klimaziele deutlich verfehlt. Gleichzeitig wird die eigentliche Messlatte – die Entwicklung eines auch für Schwellen- und Entwicklungsländer tauglichen Modells – grundlegend verfehlt.

(Foto von thelegendreturn auf pixabay.com)