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(25.03.2025)
Hier Teil 3 zum Ausweg aus der klimapolitischen Sackgasse. Eine Studie hat die Varianten Lenkung und Förderung miteinander verglichen und kommt zu einem klaren Ergebnis. Wir stellen das Schweizer Modell einer CO2-Steuer mit Rückzahlung per Klimageld – als Alternative zum Emissionshandel für Gebäude und Verkehr – vor, das seit 2008 mehrfach per Volksentscheid verlängert worden ist. Ein Modell, welches auch das Umweltbundesamt vorgeschlagen hatte. Wir diskutieren die Frage der sozialen Ausgestaltung von Förderung und Klimageld. Zum Schluss die Frage, ob ein Wechsel bei diesem wichtigen Klimaschutzinstrument sinnvoll und aussichtsreich wäre.
(Die drei Teile dieses Blogbeitrages stammen aus einem Kapitel des in Arbeit befindlichen Buchprojekts „Nicht der Markt ist das Übel, sondern seine Fehlsteuerung“).
Lenkung fünfmal günstiger als Förderung
Bevor wir ein Alternativmodell vorstellen, wollen wir noch einmal auf die alte Streitfrage zurückkommen, die wir schon bei der Ökosozialen Steuerreform diskutiert hatten. Was soll im Zentrum der Klimapolitik stehen: die Lenkung über den CO2-Preis, einschließlich Rückverteilung eines Großteils der Einnahmen per Klimageld pro Kopf der Bevölkerung, oder die Finanzierung über Fördermittel. Wobei klar ist, dass es nicht um ein Entweder-Oder geht, sondern darum, welches Instrument Standbein und welches Spielbein sein soll. Wir werden sehen, dass diese Frage erhebliche Auswirkungen hat. Das aktuelle Problem in Deutschland besteht wie wir gesehen haben darin, dass die Fördergelder aus dem gleichen Topf kommen sollen wie das geplante Klimageld – dem Klima- und Transformationsfonds (KTF). Die Einnahmen aus diesem Fonds sind längst verplant.
Leider sind Fördergelder und CO2-Preise umgekehrt proportional miteinander verbunden. Je niedriger der CO2-Preis, desto höher ist der Förderbedarf zum Ausgleich fehlender wirtschaftlicher Motivation bei Unternehmen wie Verbrauchern. Niedrige CO2-Steuern bedeuten außerdem weniger Geld im Topf. Was noch verstärkt wird durch hohe Kosten für die bisher zu wenig nachgefragte und deshalb teure klimafreundliche Technologie. Höhere CO2-Steuern würden dagegen sofort die Nachfrage erhöhen, mehr Einnahmen generieren und weniger Förderbedarf.
Forscher der ETH Zürich haben in einer Studie untersucht, wie hoch die gesamtgesellschaftlichen Kosten der zwei extremen Varianten Lenkung (über den CO2-Preis) oder Förderung (über Subventionen) wären. Das Ergebnis war eindeutig: „Die Studie kommt zum Schluss, dass Lenkung gesamtwirtschaftlich erheblich effizienter und um bis zu fünfmal kostengünstiger ist als Förderung.“ [1]
Die Ursache für diesen gewaltigen Unterschied: Die Förderung wirkt nur dort, wo gefördert wird, während die Lenkung über den Preis auf jede energierelevante Entscheidung von Haushalten und Unternehmen Einfluss nimmt. Fazit der Studie: „Die auf der ganzen Breite wirkende Lenkung führt daher zu deutlich tieferen Gesamtkosten als die punktuelle Förderung.“
Die Alternativen sind damit klar umrissen. Auf der einen Seite ein niedriger CO2-Preis, der fehlende wirtschaftliche Motivation durch finanz- und bürokratieaufwendige Subventionen einschließlich Verboten und Geboten wie beim ungeliebten Gebäudeenergiegesetz ausgleichen muss. Dazu die Tatsache, dass das Klimageld immer unwahrscheinlicher wird und damit das Vertrauen in einen sozial verträglichen Klimaschutz schwer beschädigt wird.
Auf der anderen Seite ein deutlich ansteigender CO2-Preis, mit einem klaren Signal für die Wirtschaft, dass diese voll in die Produktion von klimafreundlichen Technologien einsteigen kann. Der Anreiz für Verbraucher, in Wärmepumpen und Elektroautos zu investieren, wäre entsprechend hoch. Mit steigenden Einnahmen aus der CO2-Bepreisung könnte sowohl das Klimageld gezahlt werden als auch Fördergelder nach sozialen Kriterien.
Schweizer Modell als Alternative zum Emissionshandel
Es gäbe einen relativ einfachen und bereits erprobten Ausweg aus der Sackgasse. In der Schweiz werden seit 2008 zwei Drittel der Einnahmen aus der Besteuerung von fossiler Heizenergie zurückgezahlt. An die Verbraucher über ein Klimageld pro Kopf der Bevölkerung, an die Wirtschaft über die sogenannten Ausgleichskassen, abhängig von der Anzahl der Beschäftigten. [2] Die Schweizer sind so zufrieden mit der Lösung, dass sie das Modell mehrfach per Volksabstimmung verlängert haben. Dabei ist die Rückzahlung über die Krankenkasse alles andere als transparent. Inzwischen liegt der CO2-Preis in der Schweiz bei rund 120 Euro pro Tonne.
Das Umweltbundesamt hat im Dezember 2022 ein ähnliches Modell vorgeschlagen. [3] 70 Prozent der Einnahmen könnten als Klimaprämie pro Kopf zurückgezahlt werden. Damit würden die durchschnittlichen Mehrkosten besonders der einkommensschwachen Haushalte ausgeglichen oder sogar überkompensiert. Die restlichen 30 Prozent könnten für Klimaschutzmaßnahmen verwendet werden. Investitionshilfen für finanziell schwächere Gruppen sollten durch Sonderprogramme oder Umwidmung bestehender Förderprogramme realisiert werden.
Von Seiten der EU müssten bei diesem Modell nur die verbindlichen Minderungsziele vorgegeben werden. Auf nationaler Ebene könnte dann eine CO2-Steuer mit entsprechendem Steigerungspfad installiert werden, der je nach Erreichung der Klimaziele nachjustiert wird. Das ist schon jetzt gängige Praxis in der Schweiz. Damit stellt sich übrigens auch heraus, dass der anfangs genannte Nachteil der CO2-Steuer, die fehlende Durchsetzung eines Emissionszieles, ein Fehlurteil ist. Es wird Zeit, dieses Urteil aufzuheben.
Übrigens dürfte der Bürokratieaufwand für das Schweizer Modell deutlich geringer sein als das im ETS 2 vorgesehene System sozialer Klimapläne, die von den Mitgliedsstaaten einzureichen und mit der EU-Kommission abzustimmen sind.
Die Frage ist natürlich, ob irgendjemand die mühsam ausgehandelte Vereinbarung zum Emissionshandel noch einmal aufschnüren will. Der Zweifel ist absolut berechtigt. Nur wird die Forderung nach Neuverhandlung der Vereinbarung längst von anderer Seite gestellt.
Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk hat anlässlich der Übernahme der polnischen Ratspräsidentschaft im Januar 2025 im Europäischen Parlament die Dringlichkeit einer Überarbeitung der bestehenden Vereinbarung zum ETS 2 betont. Er warnte davor, dass steigende Energiepreise zu schwerwiegenden politischen Folgen führen könnten „Wenn Europa bankrott geht, wer wird dann die Umwelt schützen?“ Er forderte, das Emissionshandelssystem für Verkehr und Gebäude ernsthaft zu überprüfen. [4]
Soziale Ausgestaltung von Förderung und Klimageld
Ein weiterer aufzulösender Knoten betrifft das Förderkonzept. Um die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung tatsächlich für das Klimageld nutzen zu können, muss das jetzige Konzept komplett geändert werden. Wie das Klimainstitut MCC Berlin vorschlägt, sollten Investitionen für öffentliche Daseinsfürsorge, ÖPNV, Ladeinfrastruktur und Ähnliches aus dem regulären Haushalt finanziert werden. [5]
Die Förderung der energetischen Sanierung könnte dagegen über sozial gestaffelte Kredite der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) abgewickelt werden. Fördergelder sollten stärker als bisher auf die wirklich bedürftigen Haushalte konzentriert werden. In der Schweiz wird ein der KfW-Förderung ähnliches Finanzierungskonzept getestet. Über ein Bürgschaftsmodell fließen Gelder von Versicherungen, Pensionskassen und Banken zu den Hauseigentümern. Im Unterschied zu üblichen Krediten laufen diese Darlehen über die gesamte Zeit der Investition. Der Staat übernimmt dabei das Ausfallrisiko, das durch die deutlich längeren Laufzeiten der Darlehen entsteht. [6]
Zur Erinnerung: die bisherige Nicht-Anlastung von Umweltfolgekosten ist de facto eine Subventionierung zulasten zukünftiger Generationen. Die Streichung dieser Subventionen per Einführung von CO2-Steuern muss demzufolge eigentlich nur dann abgefedert werden, wenn gewichtige soziale oder politische Gründe dafür sprechen. Die Gewährung öffentlicher Subventionen für die Besitzer von Häusern in bester Lage dürfte nicht dazu gehören.
Besserverdienende könnten gemäß neueren Studien im Durchschnitt sogar zu den Gewinnern eines Klimageldes gehören, weil sie die notwendigen Investitionen leichter und schneller finanzieren können, die Emissionen von großen Wohnungen und Häuser dann sogar unterdurchschnittlich sein könnten.
Insofern wäre eine Differenzierung des Klimageldes absolut sinnvoll. Dagegen spricht nur, dass eine solche Differenzierung zu einer weiteren Verschiebung bei der Umsetzung des Klimageldes führen könnte. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schlägt eine Lösung über die Einkommenssteuerabrechnung vor. Im Ergebnis behalten die unteren 30 Prozent der Bevölkerung das volle Klimageld, im mittleren wird es abgeschmolzen und bei den oberen 30 Prozent nahezu vollständig abgeschöpft. [7]
Kommentare an: kontakt@tanker.blog
[1] | C. Böhringer, M. Kosch, F. Landis, A. Müller, R. v. Nieuwkoop und S. Rausch, „Reduktion von Energieverbrauch und CO2-Emissionen: lenken oder fördern?,“ Schweizerischer Nationalfonds SNF, https://idw-online.de/de/news?id=668327, 2017. |
[2] | B. f. U. (BAFU), „Rückverteilung der CO2-Abgabe,“ [Online]. Available: https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/fachinformationen/verminderungsmassnahmen/co2-abgabe/rueckverteilung.html. |
[3] | A. Burger, B. Lünenbürger, K. Tews, J. Weiß und H. Zschüttig, „CO2-Bepreisung im Verkehrs- und Gebäudebereich sozialverträglich gestalten (Kurzfassung),“ UBA , Dessau-Roßleben, 09.12.2022. |
[4] | B. Times, „High energy prices prompt Polish call for Green Deal review,“ [Online]. Available: https://www.brusselstimes.com/1406410/high-energy-prices-prompt-polish-call-for-green-deal-review?utm_source=chatgpt.com. |
[5] | B. Knopf, „Twitter,“ [Online]. Available: https://x.com/BrigitteKnopf/status/1662419067217616898. |
[6] | swisscleantech, „Neue Modelle für die Finanzierung von Gebäudemodernisierungen,“ [Online]. Available: https://www.swisscleantech.ch/neuer-ansatz-um-die-gebaeudemodernisierung-anzukurbeln/. |
[7] | M. H. S. M. M. M. J. P. Stefan Bach, „CO2-Bepreisung: Klimaprämie zügig einführen, bei höheren Einkommen abschmelzen,“ DIW, Berlin, DIW-Wochenbericht 42/2024. |