Klimapolitik aus der Sackgasse holen (Teil 2)

Von | März 25, 2025

(25.03.2025)

Hier Teil 2 zum Ausweg aus der klimapolitischen Sackgasse. Es geht um die enorme Unsicherheit bei der Höhe des CO2-Preises beim ETS-2 (dem Emissionshandel für Gebäude und Verkehr), um die Fragwürdigkeit eines Preisdeckels, die sehr unterschiedliche Lenkungswirkung eines EU-weit einheitlichen CO2-Preises. Wir diskutieren die alte Frage: Klimageld oder Subventionen zum Ausgleich steigender CO2-Preise, sehen uns an, welche Chancen die Zahlung eines Klimageldes im neuen ETS-2 hat.

(Die drei Teile dieses Blogbeitrages stammen aus einem Kapitel des in Arbeit befindlichen Buchprojekts „Nicht der Markt ist das Übel, sondern seine Fehlsteuerung“).

Die fehlende Planbarkeit beim ETS 2

Im Dezember 2022 knallten die Sektkorken bei den Befürwortern des neuen Emissionshandels für Gebäude, Straßenverkehr und kleinere Industrieunternehmen, ETS 2 genannt. Nach dem Durchbruch beim Emissionshandel für Stromerzeugung und Großindustrie würde der CO2-Preis damit endgültig ins Zentrum der Klimapolitik gerückt werden.

Wie hoch der CO2-Preis beim ETS 2 sein wird, darüber herrscht jedoch große Unklarheit. Eine 2021 erstellte Studie der EU-Kommission geht von 48 bis 80 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2030 aus, eine Studie des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung kommt auf 126 Euro, das Ariadne-Projekt auf 175 bis 375 Euro pro Tonne, das Klimainstitut MCC Berlin dagegen auf 200-300 Euro. [1]S. 14. Die ersten beiden Quellen gehen von zusätzlichen Klimaschutzmaßnahmen aus, während die übrigen nur die Wirkung des Emissionshandels betrachten.

Der Klimaökonom Matthias Kalkuhl vom Klimainstitut MCC Berlin schrieb dazu: “Wenn wir Ökonom:innen noch nicht einmal wissen, wie hoch die CO2-Preise sein werden, wie sollen da normale Bürger:innen wirtschaftlich sinnvoll investieren?” [2] Kein Wunder, dass unter diesen Umständen der Absatz von Wärmepumpen im Ansatz stecken blieb, der Markt für Gas- und Ölheizungen trotz gewaltigen Preissteigerungen im Winter 2022/23 in den Folgejahren einen Boom erlebt hat.

Für die Politik ist diese Unsicherheit gerade in den Anfangsjahren des Emissionshandels ein schwer kalkulierbares Risiko. Klar ist nur, dass es richtig teuer werden kann. Erstmals sind die Bürger direkt betroffen, bei den Heizkosten wie beim Benzin- oder Dieselpreis. Und zu nahe ist die Erinnerung an die Proteste der Gelbwesten in Frankreich und die vereinzelten Demonstrationen am Beginn der Energiekrise im Herbst 2022. Beim bereits bestehenden Emissionshandel für die Stromerzeugung und die energieintensive Industrie (ETS 1) hatte man sich geholfen, indem man der Industrie kostenlose Zertifikate zugeteilt hatte. Das soll beim ETS 2 allerdings nicht wiederholt werden.

Um das bestehende Risiko einzugrenzen, hat Frankreichs Präsident Macron durchgesetzt, dass mit der Regelung zum ETS 2 für den Einstieg eine Preisobergrenze eingeführt wird. Der neue CO2-Preis soll nun für die ersten Jahre bei maximal 45 Euro pro Tonne gedeckelt werden. [3] Ein Preis, der in Deutschland schon seit Januar 2024 existiert und praktisch keine Lenkungswirkung gezeigt hat. Leider sind im Jahr 2027, zeitgleich mit der Einführung des Emissionshandels für Gebäude und Verkehr, auch noch Präsidentschaftswahlen in Frankreich. Ein Abrücken von seinem Versprechen wäre eine Steilvorlage für die Parteien von Rechts- wie von Linksaußen.

Nach Ansicht von Klimaökonomen ist eine solche Preisobergrenze aber kaum zu halten. Grundlage des ETS 2 sind klar festgelegte Obergrenzen für Emissionsmengen. Die Preise für Zertifikate sind Knappheitspreise. Wenn der CO2-Ausstoß nicht deutlich sinkt, wird der Preis entsprechend steigen. Der Mechanismus zur Stabilisierung des Preises sieht zwar vor, dass im Bedarfsfall zusätzliche Zertifikate freigegeben würden. Die vorgesehene Menge an Zertifikaten liegt allerdings bei nur zwei Prozent der erwarteten Emissionen. Dies wird den Preisanstieg kaum begrenzen können, wenn der CO2-Ausstoß zu wenig sinkt und damit der Preisdruck steigt.

Dazu kommt die Tatsache, dass die Zertifikate EU-weit gehandelt werden mit dem Ziel eines einheitlichen CO2-Preises. Damit soll erreicht werden, dass Einsparungen zu möglichst geringen Kosten stattfinden. Dieser Ansatz hat allerdings eine Schattenseite: der einheitliche CO2-Preis trifft auf sehr ungleiche Durchschnittseinkommen der Haushalte. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die durchschnittliche Kaufkraft bei 25.000 Euro pro Jahr, in Rumänien bei nur 8.000 Euro. [4]S. 22 Deshalb gehen schon die Studien auch von einer sehr unterschiedlichen Lenkungswirkung aus. Zitat: „In einem europaweiten Emissionshandelssystem wird dies (die Nachfragereduktion vor allem durch Verhaltensänderung) stärker in den ärmeren Mitgliedsstaaten stattfinden, da dort die Preissteigerung im Vergleich zum Einkommen deutlich höher ausfallen wird. Damit werden die Emissionen dort stärker und in Deutschland weniger stark als im EU-Durchschnitt sinken.“ [4]S. 19.

Die Lenkung durch den Emissionshandel funktioniert demnach nur dort, wo die Leute arm sind und weitaus weniger CO2 ausstoßen, sie funktioniert aber nicht in reicheren Staaten, wo mehr Emissionen ausgestoßen werden? Der Anteil Deutschlands liegt bei 23,7 Prozent; mit Frankreich und Italien sind es etwa 53 Prozent der Gesamtemissionen. Hier liegt ein Sprengsatz  versteckt, der nur darauf wartet, gezündet zu werden.

Klimageld oder Subventionen?

Von diversen Wirtschaftsinstitute, Umwelt- und Sozialverbänden wird die Notwendigkeit der Einführung eines Klimageldes betont, um soziale Spannungen bei Einführung von deutlich steigenden CO2-Preisen zu verhindern. Die Einführung eines solchen Ausgleichs hatte die Ampelregierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag 2021 vereinbart. Studien insbesondere vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) konnten zeigen, dass die regressive Wirkung steigender Energiepreise (Geringverdiener werden relativ gesehen stärker als Besserverdienende belastet) durch die Zahlung eines Klimageldes pro Kopf der Bevölkerung umgekehrt wird. Die Zahlung eines Klimageldes führt zu einer insgesamt progressiven Wirkung der Reform: Geringverdiener würden im Durchschnitt zu den Gewinnern der Reform zählen. Allerdings fallen bei der rein statistischen Betrachtung viele Familien durch das Raster, welche in schlecht gedämmten Wohnungen oder Einfamilienhäusern wohnen, die aber nicht das Geld für die notwendigen Investitionen aufbringen. Diese Gruppen sollen gezielt über gesonderte Fonds gefördert werden. Wir kommen zum Schluss noch einmal darauf zurück.

Tatsächlich manövrierte sich die Ampel beim Klimageld in eine Sackgasse. Finanzminister Christian Lindner erklärte, dass eine Auszahlungsstelle für Direktzahlungen an die Bürger nicht existiere und erst noch aufgebaut werden müsse, was in der laufenden Legislaturperiode leider nicht zu schaffen wäre. Kritiker wiesen auf die mögliche Nutzung der Familienkasse hin, bei der ohnehin schon 70 Prozent der Haushalte mit Kontoverbindung gespeichert wäre. [5] Und auf das Beispiel Österreich: Im Januar 2022 hatte der Nationalrat, vergleichbar mit der Länderkammer in Deutschland, die Ökosoziale Steuerreform samt Klimabonus beschlossen. Keine acht Monate später wurde mit der Auszahlung des Klimabonus begonnen. [5]

Kommentar von Klimaminister Robert Habeck zur Verschiebung in die nächste Legislaturperiode: „Aber, tja, ich würde mal sagen, wie fast immer in Deutschland ist das irgendwie kompliziert und dauert länger.“ Es wäre auch eine datenschutzrechtliche Herausforderung. [6] Das hörte sich nicht an, als würde der Klimaminister Druck auf den Finanzminister ausüben wollen. Robert Habeck hatte tatsächlich andere Prioritäten: Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung waren auf Jahre hinaus verplant. Für die Finanzierung von Erneuerbaren-Energie-Anlagen, anstelle der bisherigen Finanzierung über die EEG-Umlage, Subventionen für klimafreundliche Heizungen, Gebäudesanierungen, Ladestationen für Elektroautos, der klimafreundliche Umbau der verschiedensten energieintensiven Branchen, wie Stahl- und Chemische Industrie, Investitionen in die Wasserstoffwirtschaft, sogar Subventionen zur Ansiedlung von Chipfabriken. Nicht ohne Grund war der ursprüngliche Klimafonds in Klima- und Transformationsfonds umbenannt worden.

Unklarheit über das Klimageld im neuen EU-ETS 2

Die Frage ist, ob ein solches Klimageld im Emissionshandel für Gebäude und Verkehr vorgesehen und umsetzbar wäre. Tatsächlich soll ein Klima-Sozialfonds eingerichtet werden, aus dem vor allem die sogenannten vulnerablen, sprich sozial schwächeren, Gruppen unterstützt werden sollen. Der Schwerpunkt liegt allerdings nicht bei der Auszahlung von Direkthilfen, wie dem Klimageld, sondern darauf, Investitionen in klimafreundliche Technologien und Maßnahmen zu fördern, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen dauerhaft zu reduzieren. Das klingt gut, hat aber eine Kehrseite. Tatsächlich ist die Umstellung auf klimafreundliche Alternativen eine längerfristige Aufgabe. Schon der Einbau von umweltfreundlichen Heizungen ist nicht innerhalb weniger Jahre zu realisieren. Dazu kommt die energetische Sanierung von Gebäuden. Die Quote der vollständig energieeffizient sanierten Wohnungen liegt in Deutschland bei etwas über einem Prozent pro Jahr. [7] Dabei ist zu berücksichtigen, dass etwa ein Viertel der Arbeiter auf deutschen Baustellen aus dem Ausland kommen, aus Ländern wie Polen, Rumänien, Bulgarien und den Westbalkanstaaten. [8] Die natürlich fehlen bei der Sanierung in ihren Heimatländern.

In der EU-Verordnung zum Klima-Sozialfonds werden die Mitgliedsländer aufgefordert, einen sozialen Klimaplan vorzulegen. Wörtlich heißt es: „Jeder Mitgliedstaat sollte der Europäischen Kommission nach Konsultation der lokalen und regionalen Behörden, der Wirtschafts- und Sozialpartner sowie der Zivilgesellschaft einen sozialen Klimaplan vorlegen. Die Pläne sollten Maßnahmen und Investitionen zur Bewältigung der Auswirkungen der CO2-Bepreisung im Gebäude- und Straßenverkehrssektor auf finanziell schwächere Haushalte, Kleinstunternehmen und Verkehrsteilnehmer umfassen, um erschwingliche Wärme, Kühlung und Mobilität zu gewährleisten.“ [9]

Der bürokratische Mehraufwand einer solchen Euro-zentrierten Planung wirkt wie eine Karikatur zur Forderung nach Bürokratieabbau. Zur Frage Klimageld ist in der Verordnung festgelegt, dass die Kosten für Direktzahlungen höchstens 37,5 Prozent der Gesamtkosten des einzureichenden Plans betragen dürfen. Zudem sind diese nur zeitlich begrenzt zulässig.
In der Konsequenz hieße das: das Klimageld ist nur umsetzbar, wenn es aus anderen Töpfen, wie dem nationalen Haushalt mindestens co-finanziert wird. Das dürfte schwierig werden angesichts bei deutlich steigenden CO2-Kosten, welche nicht nur die vulnerablen Gruppen treffen würden. Zudem wäre der direkte Zusammenhang zwischen CO2-Preis und Klimageld nicht mehr gegeben.

(weiter siehe Teil 3)

Kommentare an: kontakt@tanker.blog

 

[1] S. Fiedler und J. C. e. al., „Umsetzung des ETS II und des Klima-Sozialfonds in Deutschland,“ FÖS e.V.; Öko-Institut e.V., Berlin, Freiburg, Februar 2024.
[2] M. (. Kalkuhl, „Twitter,“ [Online]. Available: https://twitter.com/mkalkuhl/status/1648295412669771777.
[3] J. Packroff, „EU-Emissionshandel: Heiz- und Benzinkosten könnten stark steigen,“ [Online]. Available: https://www.euractiv.de/section/verkehr/news/eu-emissionshandel-heiz-und-benzinkosten-koennten-stark-steigen/.
[4] A. E. u. A. Verkehrswende, „Der CO2-Preis für Gebäude und Verkehr. Ein Konzept für den Übergang vom nationalen zum EU-Emissionshandel,“ Agora Energiewende, Berlin, Oktober 2023.
[5] B. Konopka, „Familienkasse zahlt Klimageld aus,“ [Online]. Available: https://klimablog.org/2022/09/19/familienkasse-zahlt-klimageld-aus/.
[6] d. k. ZEIT ONLINE, „Koalition diskutiert noch über Energieeffizienzgesetz,“ pp. https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-01/energie-gesetz-robert-habeck-bundewirtschaftsministerium.
[7] „Materialkosten bremsen Modernisierung,“ pp. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/energie-sanierung-klimaziele-klimaneutral-mieten-energiesparen-wohnungen-haeuser-101.html?utm_source=chatgpt.com.
[8] „UNTERSTÜTZUNG DURCH AUSLÄNDISCHE FACHKRÄFTE:,“ [Online]. Available: https://www.bauindustrie.de/zahlen-fakten/arbeitsmarkt/auslaendische-arbeitnehmer?utm_source=chatgpt.com.
[9] EU-Parlament, „VERORDNUNG (EU) 2023/955 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES zur Einrichtung eines Klima-Sozialfonds und zur Änderung der Verordnung (EU) 2021/1060,“ [Online]. Available: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A32023R0955.