(aktualisiert 16.01.2024)
Die Landwirtschaft braucht endlich eine klare Perspektive in Richtung Ökolandbau. Weitaus effizienter als Ordnungsrecht und Fördergelder ist die Anlastung bisher externer Folgekosten. Steigende Preise sind kein Problem, wenn die Einnahmen pro Kopf der Bevölkerung zurückgezahlt werden.
Das im Koalitionsvertrag formulierte Ziel der Bundesregierung, bis 2030 dreißig Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ökologisch zu bewirtschaften, scheint eine Illusion zu sein. Derzeit sind es etwa 11 Prozent.
Es ist kaum anzunehmen, dass der Absatz von Ökolebensmitteln in wenigen Jahren deutlich steigen könnte. Ökolandwirtschaft wird unter diesen Bedingungen eine Nische bleiben.
Das widerspricht allerdings den Erkenntnissen der Zukunftskommission Landwirtschaft. Der einstimmig verabschiedete Abschlussbericht spricht von externen Umweltfolgekosten in Höhe von 90 Milliarden Euro. Dazu kommen 10 Milliarden an für Subventionen verschiedenster Art. Wir reden also von 100 Milliarden gesellschaftlichen Kosten, denen eine Bruttowertschöpfung von etwa 25 Milliarden Euro gegenübersteht.
Müsste man daraus nicht den Schluss ziehen, den Umbau der Landwirtschaft noch stärker zu beschleunigen?
Ökologische Landwirtschaft ein Klimakiller?
Eine Studie aus England hatte 2019 für Negativschlagzeilen gesorgt. Bei einer flächendeckenden Umstellung auf Ökolandbau würden die Erträge um bis zu 40 Prozent sinken. Die Briten würden mehr Ackerbaufläche im Ausland beanspruchen. Insgesamt würden die Klimaemissionen deutlich zunehmen.
Für eine Bewertung muss man sich allerdings die Flächenbilanz der konventionellen Landwirtschaft in Deutschland ansehen.
60 Prozent der Getreideproduktion wird als Tierfutter verwendet. Und etwa 40 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt nie auf den Teller; aussortiert vom Produzenten, vom Handel oder vom Verbraucher. Außerdem werden fast 20 Prozent der Ackerbaufläche zum Anbau von Energiepflanzen genutzt. Was höchst ineffizent ist, weil Fotovoltaikanlagen weniger als ein Zwanzigstel der Fläche für den gleichen Energieertrag benötigen.
Es liegt also nicht an den fehlenden Flächen. Notwendig scheint eine sinnvolle Umsteuerung der Landwirtschaft. Eleganter als Verbote oder der moralische Zeigefinger dürfte der wirtschaftliche Druck sein – über die Anlastung externer Folgekosten nach dem Verursacherprinzip.
Beispiel Stickstoff
In Deutschland liegen die Nitratüberschüsse im Grundwasser seit 30 Jahren über den EU-Grenzwerten. Im letzten Jahr wurde das EU-Strafverfahren endlich beigelegt. Über eine Hoftorbilanz müssen nun alle Bauern die Einhaltung der Grenzwerte nachweisen.
Wieder wird eine notwendige Grenze, hier die Nitratbelastung im Grundwasser oder die Stickstoffbelastung der Luft, ausschließlich über das Ordnungsrecht geregelt. Die Bauern klagen schon jetzt über die Flut der zu erbringenden Nachweise. Ganz zu schweigen vom Aufwand, um entsprechende Maßnahmen zu kontrollieren und durchzusetzen.
In den Niederlanden wurde 1998 eine Stickstoffüberschussabgabe eingeführt. Bis 2002 wurde ein Rückgang der Stickstoffüberschüsse von über 30 Prozent erreicht. [1] S. 28. Ein Problem war aber der hohe Verwaltungsaufwand. Dieser verschlang bis zu 45 Prozent des Aufkommens.
Einfacher als die Besteuerung der Stickstoffüberschüsse wäre die Besteuerung der eingesetzten stickstoffhaltigen Düngemittel und Wirtschaftsdünger.[2] Damit könnte man im Prinzip auf die aufwändige Hoftorbilanz verzichten.
Was beim Stickstoff sinnvoll ist, bietet sich auch für andere Folgeschäden an. Abgaben auf Pestizide, Antibiotika (die in der Massentierhaltung technologiebedingt „massenhaft“ eingesetzt werden) oder importierte Soja-Futtermittel [1] würden die landwirtschaftliche Überproduktion reduzieren und die Massentierhaltung perspektivisch unwirtschaftlich machen.
Öko-Bonus für alle
Die Anlastung externer Kosten nach dem Verursacherprinzip ist zwar richtig, um die Landwirtschaft ökologischer und ihre Produkte gesünder zu machen. Die Produkte würden allerdings teurer werden. Einkommensärmere Schichten sind jedoch auf preiswerte Lebensmittel angewiesen.
Richtig. Die jetzigen Rahmenbedingungen bedeuten jedoch Subventionierung der Folgekosten für alle, auch für die Besserverdienenden. Wir haben hier genau das fehlsteuernde Gießkannenprinzip, welches von den Ökonomen zumeist heftig kritisiert wird.
Es geht aber nicht nur um einen Ausgleich für besonders bedürftige Gruppen. Wenn wir die Folgekosten konsequent anlasten wollen, werden die Preise zum Teil deutlich steigen. Das ist politisch nur durchsetzbar, wenn zumindest für eine Übergangszeit die Mehrkosten an anderer Stelle zurückgegeben werden.
Dazu können wir auf das bekannte Ökobonus-Prinzip zurückgreifen. Wir kennen es vom Klimageld. Die Einnahmen aus der Besteuerung von Stickstoff, Pestiziden, Antibiotika, importierten Futtermitteln würde als Zahlung je Kopf der Bevölkerung zurückgegeben werden.
Die Abgaben werden dabei schrittweise erhöht, um den Bauern Zeit für die notwendige Anpassung zu geben.
Wenn die Abgaben einen Wandel bewirken, werden die Einnahmen natürlich sinken. Das bedeutet, dass die Ökobonus-Zahlungen mittelfristig auf sozial schwächere Gruppen beschränkt werden müssen.
Was vermittelbar sein sollte. Schließlich stellt die bisherige Externalisierung der Folgekosten eine Subventionierung zulasten zukünftiger Generationen dar. Ausgleichszahlungen müssen also begründet werden, in diesem Fall durch eine Beschränkung auf soziale Gründe.
Im Übrigen liegt der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel in Deutschland mit 11 Prozent weit unter dem EU-Durchschnitt (knapp 16 Prozent), dem entsprechenden Kostenanteil in Spanien (20 Prozent) oder Südosteuropa (20-25 Prozent).
Die Ökologisierung der konventionellen Landwirtschaft
Greenpeace hat in einer Studie von einer „ökologisierten“ konventionellen Landwirtschaft gesprochen. Die Bauern müssen dafür keine überzeugten Ökobauern werden. Es muss nur Schluss sein damit, dass wirtschaftlich sinnvoll ist, was enorme Folgeschäden für die Klima, Umwelt und Gesellschaft verursacht.
Mit entsprechenden Abgaben werden falsche Anreize beseitigt, sodass Bauern aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen mehr und mehr auf Pestizide und künstliche Düngemittel verzichten und die Tierhaltung entsprechend der Flächengröße zurückfahren.
Dieser Weg könnte unabhängig von der verfehlten Förderpolitik der EU sofort beginnen. Parallel dazu müssten Förder- und Forschungsmittel (derzeit liegt der Anteil für den Ökolandbau bei wie auch Weiterbildungsmaßnahmen an den ökologischen Umbau angepasst werden.
Die Ausrichtung auf eine stärker ökologisch orientierte Landwirtschaft wäre ein Zukunftsmodell für Europa. Lenkungsabgaben würden die Landwirtschaft schon im Ansatz in eine nachhaltige Richtung lenken, was deutlich günstiger ist als die weitaus aufwendigere Förderung gegen einen fehlgesteuerten Markt. Was nebenbei auch den hohen Landwirtschaftsetat der EU entlasten würde.
Um eine Wettbewerbsverzerrung durch ausländische Anbieter zu verhindern, sollten deren Produkte mit einer pauschalisierten Grenzausgleichsabgabe in Höhe der entsprechenden Abgaben belegt werden.
Nicht zu vergessen wäre die positive Ausstrahlung in den globalen Süden, der bisher das westliche auf Wachstum und Export ausgerichtete Modell als Leitbild übernommen hat und dessen Landwirtschaft bisher kaum eine Chance hat gegenüber den subventionierten Billigimporten aus Europa.
[1] | S. Buschmann, E. Mayer, M. Schönbächler und A. Z. (. e.V.), „Ökonomische Instrumente für eine Senkung des Fleischkonsums in Deutschland,“ Greenpeace e.V. , Hamburg, 2013. | |
[2] |
|
(Erstveröffentlichung 12.01.2024 auf klimareporter.de)