(Mai 1998)
Nachdem die Gremien von Bündnis 90/Grüne jahrelang um das Für und Wider der Ökosteuerreform gestritten hatten (und sich über die Grundsätze weitgehend einig waren), kam nach dem Beschluss zur schrittweise Mineralölsteuererhöhung bis zu einem Benzinpreis auf 5 DM/Liter beim Magdeburger Parteitag im März 1998 der Einbruch der Realität. Die BILD-Zeitung hatte ihr Feindbild gefunden und die Umfragewerte der bis dahin sieggewohnten Bündnisgrünen rutschten plötzlich in den Keller. Vor diesem Hintergrund entstand der nachstehende Aufruf an Greenpeace, sich mit einer Kampagne für diese Reform einzusetzen.
Seit Jahren fordern Umweltverbände und Wissenschaftler eine Anlastung der ökologischen Folgekosten nach dem Verursacherprinzip – als Stufenprogramm, bei gleichzeitiger Senkung der Lohnnebenkosten. Ähnliches forderten jetzt die Bündnisgrünen und erleben seitdem einen dramatischen Einbruch bei den Umfragen.
Eine solche grundsätzliche Richtungsänderung löst Ängste und Widerstände aus (die von den Grünen offensichtlich unterschätzt wurden). Wie kann aber die dringend notwendige Reform durchgesetzt werden, wenn Politiker, Wirtschaftsverbände und Medien Ängste schüren statt sachgerecht zu informieren?
Schwerwiegender noch als das Wissensdefizit ist die allgemein anzutreffende Orientierungslosigkeit. Dass der Markt sinnvoll regulierbar ist, aber durch die jetzige Steuer- und Abgabenlast in eine völlig falsche Richtung gedrängt wird, fehlt im breiten öffentlichen Bewusstsein. Es fehlt das verständliche Leitbild einer sinnvoll gelenkten Marktwirtschaft.
Wir fordern GREENPEACE auf, sich mit einer phantasievollen Kampagne für ein solches Leitbild einzusetzen. Wir halten deren Einstieg in die öffentliche Diskussion für notwendig, weil sie wie kaum eine andere Umweltorganisation die Chance und Fähigkeit besitzt, Themen in öffentlichkeitswirksame “Botschaften” zu übertragen.
Das Motto könnte lauten:
“UMWELTBELASTUNG STATT ARBEITSPLÄTZE BESTEUERN – ES MUSS SICH ENDLICH RECHNEN, WAS ÖKOLOGISCH UND SOZIAL SINNVOLL IST.
(Nicht der Markt ist das Übel, sondern seine Fehlsteuerung.)”
Wir bitten alle, die die politische Umsetzung des Projektes unterstützen wollen, sich unserer Forderung anzuschließen oder sich direkt an GREENPEACE (Greenpeace e.V., Dr. Walter Homolka, Große Elbstr. 39, 22767 Hamburg) zu wenden.
Erstunterzeichner: Prof. Udo Becker, Verkehrsökologe, Hans-Jürgen Fischbeck, Physiker; Hans-Peter Gensichen, Theologe; Gerhard Hübener, Bauingenieur; Prof. Rolf Kreibich, Zukunftsforscher, Heiko Lietz, Theologe; Dr. Hans-Joachim Maaz, Psychotherapeut, Dietrich Mendt, Landesoberkirchenrat i.R., Prof. Heiner Monheim, Stadt- und Verkehrsplaner, Karl Otto Schallaböck, Systemanalytiker
(Aufruf Mai 1998)
Die Reaktion von Greenpeace war leider sehr „zurückhaltend“. Anfang 1999 gab es endlich ein persönliches Gespräch zwischen unserer Initiative und Frau Stienburg als dem für Politik zuständigen Vorstandsmitglied. Ihre Meinung zu unserem Vorschlag in Stichpunkten zusammengefasst: “Die Öffentlichkeit ist abgesättigt, die Thematik ist zu kompliziert, zur Zeit sind Wirtschaft und Öffentlichkeit gegen die Reform, Greenpeace macht keine Einmischung in Tagespolitik. Jetzt ist das Thema erst mal bei der Rot-Grünen Bundesregierung. Wir werden die Reform kritisch begleiten.“