(April 1991)
Der Einstieg in diese Thematik ergab sich aus dem Tempo der Veränderungen nach der Wende, am deutlichsten sichtbar beim Straßenverkehr. Alle Umweltorganisationen arbeiteten an irgendwelchen Protestaktionen gegen die Straßenbaupläne von Minister Krause. Und dann tauchte plötzlich diese UPI-Studie über die ökologischen und sozialen Folgekosten des Straßenverkehrs auf. Ein neuer viel eleganterer Ansatz schien plötzlich möglich: die Forderung nach Durchsetzung des Verursacherprinzips für die Folgekosten. Konsequent marktwirtschaftlich!
Den folgenden Rundbrief verschickte ich an alle großen Umweltorganisationen.
Grundlage:
Die im Auftrag des Magazins “Stern” erarbeitete Studie des Heidelberger UPI-Instituts “Umweltwirkungen von Finanzinstrumenten im Verkehrsbereich” (UPI Nr. 21)
- Einige Ergebnisses der Studie:
2/3 der Umweltschäden werden durch den Straßenverkehr verursacht. - die tatsächlichen volkswirtschaftlichen und ökologischen Kosten des Straßenverkehrs betragen jährlich 203,5 Mrd. DM, die direkten Steuereinnahmen hierzu betragen lediglich 34,8 Mrd. DM. D.h. jedes Auto wird jährlich mit 6.000 DM subventioniert.
- Vorschläge der Einführung marktwirtschaftlicher Instrumente gemäß Verursacherprinzip bei der Finanzierung des Straßenverkehrs. Der reale Marktpreis für Benzin müsste bei über 5 DM liegen.
Feststellung:
Die Ergebnisse dieser Studie sind, was den tatsächlichen Umfang der Subventionierung betrifft, überraschend. In den neuen Bundesländern werden jetzt die Weichen der Verkehrspolitik gestellt. Dass mehr Straßenbau keine Verkehrsprobleme löst, solange Autofahren so billig ist, zeigen alle Erfahrungen der alten Bundesländer. Gegen die vorgeschlagene Alternative steht allerdings eine gewaltige Lobby von Autoindustrie, Bauwirtschaft, Torurismusbranche über die Gewerkschaften bis hin zum Großteil der Autofahrer.
Diese beruht allerdings auf Kurzsichtigkeit und Desinformiertheit über Alternativen. Zweckgerichtete Steuern (höhere Mineralölsteuer) wären sozialer als allgemeine Steuern, da beeinflussbar durch den Einzelnen. Oder: Auch dank des billigen Straßentransportes verdrängen die Waren aus den Alten Bundesländern Produkte aus den Neuen Bundesländern.
Schon über die Tatsache der Subventionierung besteht Unklarheit bis in den täglichen Sprachgebrauch hinein. Von Subventionen ist in diesem Zusammenhang nur bei Bahn und ÖPNV die Rede. Tatsache ist – solange die öffentliche Meinung sich hier nicht wenigstens ansatzweise ändert, sind Alternativen nicht politikfähig.
Insofern ist es ein nicht begreifbarer Fehler, dass mit den Ergebnissen der Studie bisher keinerlei Öffentlichkeitsarbeit betrieben wurde. Es gab lediglich einige kurze Artikel in der Presse. Stellungnahmen der Umweltorganisationen fehlten ebenfalls. Vielleicht hängt dies aber auch mit dem gerade “stattfindenden” Golfkrieg zusammen.
Gerade dieser Konflikt mit der Verquickung von (auch) Ölinteresse und Politik hat wie die nun fast regelmäßig “stattfindenden” Tankerunglücke die selbstzerstörerische Wirkung einer ungebremsten oder sogar noch subventionierten Energie- und Verkehrspolitik klargemacht.
Schlussfolgerung (Vorschlag):
Notwendig ist die Durchführung einer breiten öffentlichen Kampagne zu diesem Thema. Die Aktionen können von Plakataktionen bis zu Werbespots und öffentlichen Diskussionen reichen.
Die Grenze liegt nicht bei der Finanzierbarkeit. Da bei diesem Thema eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit vorhanden ist, dürfte die Finanzierung über Spenden möglich sein, wie Beispiele zeigen. Im Übrigen geht es vor allem um das Anschieben einer öffentlichen Diskussion.
Die Kampagne sollte möglichst als gemeinsame Aktion der großen Umweltverbände sowie Bundnis 90/Grüne durchgeführt werden. Über die Durchführung sowie das mögliche Finanzierungsmodell dürfe es genügend Erfahrungen geben.
Reaktionen auf die Aktion:
Der BUND e.V. schrieb mir: Wir sind derzeit beschäftigt mit Aktionen gegen die Autobahnpläne von Verkehrsminister Günter Krause. Und Greenpeace war auf der Suche nach einem Produzenten für ein 3-Liter-Auto. Mein Argument, dass diese Aktionen kaum Erfolge hätten, solange Benzin so billig ist; und dass Alternativen sich allein durchsetzen, wenn der Benzinpreis deutlich steigt, zog nicht.
Schlussendlich bahnte sich eine Zusammenarbeit mit einer Verkehrsgruppe des BUND in Berlin an. Unter dem Slogan „Wir wollen nicht für Euer Auto zahlen“ sollte eine Kampagne zusammen mit der GRÜNEN LIGA durchgeführt werden. Leider brach die Gruppe dann wegen interner Probleme innerhalb des BUND auseinander.
Überraschend war dagegen, was sich auf politischer Ebene bewegte. Auf der 1. Konferenz der Umwelt-, Verkehrs- und Raumordnungsminister der Länder im Februar 1992 wurde im Beisein der Bundesminister Günter Krause (Verkehrsminister), Klaus Töpfer (Umweltminister) und Irmgard Schwaetzer (Ministerin für Städtebau und Raumordnung), eine Resolution zur grundsätzlichen Trendwende in der Verkehrspolitik verabschiedet. Darin wurde u.a. „der konsequente Einsatz marktwirtschaftlicher Mittel zugunsten des öffentlichen Verkehrs und die Kostenanlastung für die externen ökologischen und sozialen Folgen insbesondere des Straßenverkehr“ gefordert. Das hätte in der Perspektive eine wesentliche Verteuerung und damit Reduzierung des Straßenverkehrs bedeutet. Damit wären die Grundlagen für die Straßenbaupläne des Bundesverkehrsministeriums praktisch hinfällig geworden. Dass diese fast revolutionäre Resolution ganz schnell wieder vergessen war, hängt wohl auch damit zusammen, dass dieses Thema von Seiten der Umweltorganisationen so sträflich vernachlässigt wurde.